Sport on the move - Fakten, Tendenzen und Meinungen

in Kooperation mit          

 

28. Februar 2019, Grosser Saal des FIFA World Football Museums

 

Impressionen

 

Hochkarätiges im FIFA-Museum

Das Swiss Sport Forum vom 28. Februar 2019 im FIFA-Museum in Zürich zog viele Gäste und hochkarätige Referenten an. Es ging um eine Standortbestimmung im Sport, insbesondere im Fussball, dann aber auch um mögliche Entwicklungen, Tendenzen und Meinungen, alles unter dem Generaltitel «Sport on the move». Was die Attraktivität des Sports ausmacht, die Emotionen, kam auch an dieser Veranstaltung ebenfalls nicht zu kurz.

In Wallung geriet Stargast Paul Breitner, der vor der Veranstaltung eine Extratour durchs FIFA-Museum genoss. Und als der einst eisenharte Haudegen des FC Bayern gefragt wurde, ob er den Original-Pokal von 1974 nicht doch noch einmal anfassen wolle, liess er sich das nicht nehmen. Mit stolzer Miene und genüsslichem Schmunzeln stemmte der Weltmeister die Trophäe, die er vor 45 Jahren zusammen mit legendären Freunden, wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, Berti Vogts und Co., gewonnen hatte, nochmals hoch – diesmal in den Zürcher Museums-Fussballhimmel. Weniger später bewies der Münchner, dass er auch neben dem Platz immer noch zupacken kann – verbal zum Beispiel, als hervorragender, manchmal gnadenloser Rhetoriker, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Breitner reagierte auf eine Aussage von Fussball- und Gastro-Experte Reiner Calmund, der sich über den heutigen Spielkalender mit immer höheren Belastung für die Spieler äusserte ("Jetzt ist genug“), gereizt. „So ein Schmarrn! Wir absolvierten früher über 90 Spiele für Bayern pro Saison bei jedem Wetter – und keiner hat sich je beschwert“, polterte die Fussball-Legende. „Allerdings, wenn eine Mannschaft Erfolg hat, klagt auch kein Spieler. Das war früher so und ist auch heute nicht anders.“. Zum derzeitigen Spielkalender und allfälligen zusätzlichen, künftigen Belastungen meinte er lapidar: „Das ist doch in Ordnung, jeder Fussballer spielt lieber, als dass er trainiert. Es gibt nichts Schöneres als das Spiel.“. Allerdings zeigte der ehemalige Real-Söldner Paul Breitner auch Verständnis für die Argumente der Gegner seiner These, dass sich heute viele Spieler überfordert fühlen würden. Nur ortete er die Gründe dafür nicht im reichlich befrachteten Spielkalender: „Heute sind doch viele schon als Junge Superstars und können keinen Schritt mehr in der Öffentlichkeit machen, ohne dass sie dies wenig später in den sozialen Medien oder sonst wo vorgeführt bekommen. Es weiss keiner mehr, wie er sich verhalten soll. Bei solchen Belastungen muss man die Hebel ansetzen.“.

Sensibilisierung für ein Tabuthema

Weniger lautstark, aber nicht weniger emotional, ging es in der Gesprächsrunde zum Thema «Erfolg, Misserfolg, Leistungsdruck und die Folgen» zu. Als Teresa Enke das Wort ergriff, wurde es leise im Saal. Sie sprach offen den Suizid ihres Gatten Robert und was daraus resultierte an. Der frühere Torhüter Robert Enke hatte sich vor knapp zehn Jahren nach lang anhaltenden Depressionen vor einen Zug geworfen. „Man muss endlich erkennen, dass diese Krankheit schon längst im Spitzensport angekommen ist und diese auch akzeptieren“, forderte die Witwe des ehemaligen Star-Torhüters, die in ihrer Trauerbewältigung 2010 die «Robert-Enke-Stiftung» gegründet hatte. Das Motiv für ihr Erscheinen in Zürich skizzierte sie schnörkellos: Sie wolle kein Geld generieren, sondern die Öffentlichkeit für eine Thematik sensibilisieren, die alle betreffen könne – nicht nur Professional-Fussballspieler, sondern auch andere Spitzensportler. „Nur wird eine Depression oft nicht ernst genommen, da sie nicht messbar ist wie etwa ein Beinbruch.“.

Einen Beinbruch hat sich Matthias Glarner bei seinem Sturz aus einer Seilbahn-Gondel aus einigen Metern anlässlich eines Fotoshootings im Juni 2017 zwar nicht geholt. Aber der aktuelle Schwingerkönig zog sich bei allem Glück, das er hatte, eine hartnäckige Sprunggelenkverletzung im linken Fuss zu. Diese Verletzung macht ihm heute noch zu schaffen. Doch der Berner Oberländer kämpft sich hartnäckig an die Spitze seiner Gilde zurück und will in diesem Jahr versuchen, nochmals Schwingerkönig zu werden – oder es zu bleiben. Ein Druck lastete also auf ihm. Gab es da nie Momente der Resignation? Der Meiringer, der seine Karriere schon immer sorgfältig geplant hatte: „Es hat sicherlich geholfen, dass ich seit zehn Jahren immer mit dem Sportpsychologen arbeite.“. Mit ein Grund sei, dass er neben seiner Karriere als Spitzensportler stets sein Studium der Sportwissenschaften vorangetrieben habe: „Das lenkte ab und nahm mir die Möglichkeit, viel zu grübeln. Auch wenn es an der Uni manchmal langweilig war.“. Und wie stuft er seine Chance für die Titelverteidigung Ende August in Zug ein? Matthias Glarner: „Es wird sicher einen neuen Schwingerkönig geben – vielleicht ja einen neuen alten.“. Am Gespräch zum Leistungsdruck im Sport und seinen Folgen, das von Star-Psychiater Prof. Daniel Hell umsichtig geleitet wurde, nahm auch der Einsiedler Abt Dr. Urban Federer, der im Klosterdorf immer wieder Erfahrungen mit Spitzensportler aus dem Skisprung-Sport sammelt, teil.

Wenn die Schweiz Schweden besiegt hätte…

Mit Ironie und auch Selbstkritik zog SFV-Präsident Peter Gilliéron bei seiner «Standortbestimmung Nationalmannschaft» die Zuhörer/innen in den Bann. Der Berner Fürsprecher, der diesen Sommer nach 26jähriger Verbandstätigkeit in den Ruhestand treten wird, zog ein schnörkelloses Fazit: „Vieles haben wir gut, weniges schlecht gemacht.“. Als negativen Aspekt sieht er die Vorkommnisse an der Fussball-WM-Endrunde im Sommer 2018 in Russland, als vor allem in kommunikativer Hinsicht einiges schief lief: „Aber wir haben die Lehren daraus gezogen und uns natürlich auch entschuldigt.“. Er wolle jedoch weder die «Doppeladler-Affäre» aufwärmen noch eine «Doppel-Entschuldigung» aussprechen. „Ein Sieg gegen Schweden, was das Weiterkommen bedeutet hätte, und jede Diskussion hätte sich erübrigt“, meinte er. „Es zählen nur die Resultate», fasste Peter Gilliéron zusammen. Als positiven Fakt sieht er bezüglich seiner Amtszeit neben den sportlichen Erfolgen der Nationalmannschaft den wirtschaftlichen Aspekt: „Als ich 1993 im Verband begann, belief sich der Umsatz der Nationalteams 4,3 auf Millionen Franken, 2017 waren es 35 Millionen.“. Fazit: Geld schiesst zwar keine Tore, aber ohne Geld geht gar nichts…Und was macht der sich dem Pensionsalter nähernde Fussball-Insider, wenn er das Joch seines Amtes weitergegeben hat? „Ich werde endlich mal bei Brot, Wurst und Bier ein Fussballspiel geniessen und über den Schiedsrichter lästern können.“.

Weniger in „Bratwurst-Laune“ gab sich Dr. Helmut Brandstätter. Der Herausgeber des Wiener «Kurier» machte sich mit Blick auf die Medien und bezüglich der Sport-Berichterstattung in seiner Analyse über den Ist-Zustand der buntgefächerten Medien-Landschaft Sorgen; diese wurden vielleicht durch Beispiele, welche die Hamburger Medienanwältin Tanja Irion zuvor präsentierte, verstärkt. Der ehemalige ORF-Korrespondent will diesbezüglich sogar eine „Verrohung der Sitten“ im medialen Bereich geortet haben, was Tanja Irion durch Darstellung der Medien-Fälle „Michael Schumacher“ und „Max Mosley“ unterstrich. Es werde heutzutage im Medien-Geschäft kaum mehr richtig recherchiert, der „Copy- und Paste-Journalismus“ sei zum beliebten Hilfsmittel auf den Redaktionen geworden. Mit dafür verantwortlich seien die sogenannten „neuen Medien“. Qualität stehe dort immer weniger im Vordergrund. Oft müsse man sich fragen, was überhaupt noch Journalismus sei. Sein „Kurier“ lasse sich von dieser Entwicklung nicht beeinflussen, versprach der Wiener Medien-Profi mit internationaler Erfahrung: „Wir bleiben unser Philosophie treu: Wir schauen auch in Zukunft dahinter.“.

Ein positiveres Fazit durfte nach der halbtägigen, intensiven Veranstalter Prof. Dr. Urs Scherrer, der zusammen mit NZZ-Sportchef Elmar Wagner umsichtig durch die Tagung führte, ziehen: „Unser Forum mit Bezug zum Sport ist wissenschaftlich pragmatisch ausgerichtet. Die aktuelle Standortbestimmung, die wir vorgenommen haben, war umfassend – was die Zukunft bringen wird, lässt sich in etwa abschätzen“, sagte der versierte Vereins- und Sportrechtler.

Andy Huber, Redaktor BR

 

Programm

Türöffnung 13:00 Uhr

Programm

Moderation: Dr. Urs Scherrer; Elmar Wagner, Sportchef „Neue Zürcher Zeitung“

 

Beginn 13.30 Uhr

 

Kick-off
Dr. Thomas Heiniger, Regierungspräsident Kanton Zürich

 

Die Dimensionen des Sportes
u.a. mit Dr. sc. Andrea Bekić, Botschafterin der Republik Kroatien in Bern und Repräsentantin des Fussball-Vize-Weltmeisterteams Kroatien  

 

Der Sport: Vom Event zum Event-Kapitalismus
Dr. Dr. Alexander Görlach, Publizist

 

Standortbestimmung Nationalmannschafts-Fussball
Fürsprecher Peter Gilliéron, Präsident Schweizerischer Fussball-Verband (SFV), Mitglied der UEFA-Exekutive

 

Klubfussball contra Nationalmannschafts-Fussball?
Einwurf: Reiner Calmund, Fussball-Experte

Elmar Wagner im Gespräch mit:
Paul Breitner, Fussball-Weltmeister
Rechtsanwalt Claudius Schäfer, CEO der Swiss Football League
Bernard Challandes, Nationaltrainer Kosovo, ehem. Meistertrainer FC Zürich
René Strittmatter, Spieleragent bei FOOTURO AG, ehem. Vizepräsident FC Zürich

 

Erfolg, Misserfolg, Erfolgsdruck – und die Folgen

 

Prof. Dr. med. Daniel Hell, Facharzt FMH für Psychiatrie, im Gespräch mit
Teresa Enke, Robert-Enke-Stiftung
Dr. Urban Federer, Abt Kloster Einsiedeln
Matthias Glarner, amtierender Schweizer Schwingerkönig

 

 

Free-TV, Pay-TV, und was noch?: Sportvermarktung ohne Grenzen?
Rechtsanwalt Dr. iur. Thomas Hügi, ehem. Infront Sports & Media
Bernhard Burgener, Präsident FC Basel; Medienunternehmer

 

Tatort Gerichtssaal: Medienberichterstattung und ihre Grenzen
Rechtsanwältin Tanja Irion, Medienanwältin
Dr. Helmut Brandstätter, Herausgeber "Kurier", Wien

 

ca. 18 Uhr: Kulinarischer Ausklang in der Lobby von FIFA World

(Programmänderungen vorbehalten)

 

Tagungskosten:

Ordentlicher Preis: CHF 150.--
Ermässigter Preis für Studierende und Rentnerinnen/Rentner:  CHF 80.--

AUSVERKAUFT

 

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